Im Juni 1987 produzierte Arno Schmidt seine Live-LP "Aber fliegen" im "Laden" in Hoywoy, den ich damals zusammen mit meinen Freund Uwe Proksch leitete. Der damals verantwortliche Produzent Stefan Körbel fragte mich an diesem Abend, ob ich nicht Lust hätte, seinen Job als Produzent beim Rundfunk zu übernehmen, da er selbst wieder mehr Musik machen wollte. Ich hatte Lust …
Verantwortlich für die Bereiche Lied, Chanson und Jazz gab es jede Menge Live-Mitschnitte zum Festival des politischen Liedes, zum Liedersommer, zur Jazzbühne … Unvergessen dabei die Konzerte von: John Scofield, Jonas Hellborg, Angelo Branduardi, Al di Meola, Konstantin Wecker. Viele damals noch unbekannte Bands betraten die Bühne.
Mit "Mr. Adapoe" aus Weimar produzierte ich eine Live-Show , die direkt aus dem Popstudio in der Nalepastrasse in einem Stockholmer Jazzklub ausgestrahlt wurde. Thomas Adapoe leitet mittlerweile erfolgreich sein Unternehmen für Event- und Studiotechnik in Weimar. Constanze Friend, die damalige Sängerin, zählt heute zu den bedeutendsten Jazz-Interpretinnen, die das Land zu bieten hat. Den meisten bekannt im Duo mit dem Ausnahme-Gitarristen Thomas Fellow.
Interessanterweise produzierte der Rundfunk auch jede Menge Schallplatten im Auftrag von AMIGA. Die oftmals sehr aufwendigen Studioproduktionen wurden gegen einen mehr oder weniger symbolischen Betrag vom Rundfunk "abgekauft". An einigen LP-Produktionen war ich beteiligt:
"Zart und bitter"
"Rumba a la libertad"
Old Meklenborg for ever"
Von der Westlichkeit der Welt"
"A la vida"
"Gasse Singer"
"Einstand"
"Zeitzeichen"
"Kapitel 11"
"Alles wandelt sich"
Am 8. November 1989 sitze ich Saal IV im Studio in der Nalepastrasse. Zusammen mit Bert Wrede (git), Lexa Thomas (bg), Tina Tandler (sax, akk), Norbert Grandl (dr, perc) und Juwe Andrees (p, key) basteln wir an den Songs für unseren Freund, dem Liedermacher Norbert Bischoff. Die Stimmung ist mies. Nebenan, im Rummelsburger Knast, sitzen immer mehr Leute ein, Freunde, Bekannte … man weiß nichts Genaues. Trotzdem machen wir uns an die Arbeit. Norbert singt auf das Grundband von „Wenn einer geht …“ - man könnte flennen, manch einer tut es.
Spät in der Nacht komme ich nach Haus und falle müde ins Bett. Das Telefon klingelt. Norbert: „He Hugo, weißt du wo ich bin?“ Ne, woher denn .. „Ich sitze in Kreuzberg und sauf mit ein paar Leuten Sekt …“ Oh Mann. denke ich. Nicht du auch noch - und lege auf. Jetzt klingelts an der Tür. Mein Freund Uwe Proksch aus Hoywoy steht vor der Tür, er hat für ein paar Tage bei mir Quartier gemacht. „Los Hugo, hör auf zu pennen … die Grenze ist offen“. Ich verstehe kein Wort. Ziehe mich wortlos an. Wir laufen zur Bornholmer. Die Strasse voller Leute. Es wird eine lange Nacht …
Wenn einer geht,
weil die Träume ihn fortreißen
hin zu unbekannten Ufern.
Wiegt die Hoffnung soviel mehr,
als die Angst es kommt nichts mehr.
Und keiner hält ihn auf,
frei zu atmen
und sei’s für kurze Zeit,
von alter Last befreit.
Denn das Nachher gibt Antwort auf unsere Ziele
Kann sein, dass wir dann erst verstehn …
Wenn einer geht,
weil ihm nichts mehr bewegbar scheint
im eingelebten Leben.
Läßt er Fragen da zurück
und manches lose Glück. Es reicht ihm nicht aus,
frei zu atmen.
Das Licht ist ausgebrannt,
das ihn zuvor noch band
und nur die Schlafenden merken nicht, wenn einer geht.
Sie dösen weiter als sei nichts geschehn …
Am 9. November 1993 scheidet Norbert freiwillig aus dem Leben, voller Enttäuschung über die Entwicklung im wiedervereinigten Lande.
Er schreibt: „Das rechte Datum, zu verschwinden, für einen Deutschen“.